2023-12-13w06

Waldeck. Leni v.
Gabriele. Frauenroman

Mannheim: Helena-Verlag H. Schmitz s.a. (256)         000F | DNB


"„Wollen Sie etwa damit sagen, daß meiner Tochter ein Unglück geschah, als ich sie aus dem Institut nahm?" „Genau das will ich sagen. Für mich ist das Unrecht erwiesen. Sie sind ein Mann, und es führte zu nichts, wenn ich mich in weitschweifigen Erörterungen über seelische Vorgänge in einem jungen Mädchen erginge. Gabriele hat einen jungen Mann auf durchaus ehrbare Art und Weise kennengelernt. Sie glaubt an ihn und an seine Liebe. Es steht hier nicht zur Sprache, ob dieser Glaube jemals Wirklichkeit werden wird. Das entscheidende ist, daß Gabriele jedermann frei und offen ins Auge blicken kann. Wir dürfen sie nicht bestrafen, Weil sie das Herz entdeckte, das im Auftrag Gottes in ihrer Brust schlägt. Wir müssen ihr beide Hände reichen und dafür sorgen, daß sie die bleibt, die sie ist. Ich bin die verantwortliche Direktorin eines Instituts, das im Blickfeld einer unbarmherzigen Öffentlichkeit steht. Eine meiner ersten Aufgaben ist es, alles zu vermeiden, was auch nur den geringsten Schatten auf den Ruf unseres Hauses werfen könnte. Wenn ich Sie also bitte, Gabriele bei uns weiter Studieren zu lassen, so dürfte das für Sie Grund genug sein, Ihre Zustimmung zu erteilen" Gabriele wagt es nicht, ihren Vater anzusehen. Sie sitzt auf ihrem Sessel, die Hände im Schoß ineinander gedrückt, und starrt auf die Spitzen ihrer Schuhe nieder. Irgend wo im Hause oder auf der Straße warten Sabine und Sophie. Welche Mienen die beiden wohl zeigen werden, wenn sie ihnen eröffnet, die Direktorin sei eine herrliche Frau, aber ihr Vater habe es rundweg abgelehnt, sie wieder in die Schule gehen zu lassen. Ihr Herz schlägt dumpf und freudlos. Es ist wie ein Sturz aus dem blauen Himmel in einen ungeahnt tiefen Abgrund. Da hört sie ihren Vater sagen: „Willst du wieder in die Schule gehen?" Sie traut ihren Ohren nicht, aber er hat es wirklich gesagt. Er sieht sie kühl und fremd an, als handelte es sich um die gleichgültigste Sache der Welt. „Ja, Papa! Bitte, ja!" Sie stammelt es fast, und das erst bleiche Gesicht wird von einem jähen Blutstoß gerötet." (werbetext)

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