2016-03-05h020

Klaus Hermann
Der Fall Gruydenbeck
untertitel[Kriminal Roman]
original -
bibdat Die Lampions | Wuppertal [1949]
Hln. mit SchU  - 8° - 247 S.
reihe -
verlags-nr -
umschlaggestaltung -
notiz -
nachweis / kat INT | DNB | IBL1 2716 | 000K


"Jepsen war der festen Meinung, daß Herr Gruydenbeck schon vor länger als einer Stunde das Haus verlassen hatte, um wie jeden Morgen pünktlich um zehn Uhr in die Stadt zu fahren, wo ihn die Geschäfte im Verwaltungsgebäude der Gesellschaft immer wieder dringend erwarteten. Jedenfalls hatte Krosanke um diese Zeit draußen am Wagen gestanden, und bald danach war auch der große Wagen über die breite Einfahrt und durch das offene Tor hindurch auf die Rotbuchenstraße hinausgeglitten, um dann mit höchster Geschwindigkeit davonzujagen. Aber Jepsen mußte sich wohl getäuscht haben, denn als er gerade durch die Halle ging, hörte er deutlich das scharfe Schnarren der Glocke über der Tür, die ihn in das Arbeitszimmer Herrn Gruydenbecks hinüberrief — Herr Gruydenbeck befand sich also noch im Hause. Das war tatsächlich sonderbar! War Krosanke denn allein fortgefahren? Jepsen konnte das nicht verstehen, obgleich er sofort Kehrt machte und auf das Arbeitszimmer zuging, weil er aus Erfahrung wußte, wie ungern Herr Gruydenbeck wartete, wenn er auch nur einmal geläutet hatte. Herr Gruydenbeck war manchmal sehr jähzornig, und wenn er erst in seiner aggressiven Art und völlig unbeherrscht „Jepsen" sagte, anstatt ihn wie sonst Gustav zu nennen, so konnte er selbst einen Gustav Jepsen aus der Ruhe bringen, und das wollte ( bestimmt etwas heißen. Jepsen nämlich war der Ansicht, daß ein herrschaftlicher Diener in keiner Situation die Ruhe verlieren dürfte, und das war er nicht nur seiner Stellung, sondern auch seiner Erziehung schuldig. Nun aber kam dieser unerwartete und überraschende Ruf aus Herrn Gruydenbecks Arbeitszimmer! Nein, das war wirklich sonderbar! Das heißt, wenn Jepsen es recht bedachte (und er hatte es nun schon oft genug bedacht in den letzten vierzehn Tagen), so war es nicht nur Herrn Gruydenbecks Glocke, die ihn befremdete und deren Signal er jetzt befolgte, sondern es waren die merkwürdigen Umstände überhaupt, die das Haus Rotbuchenstraße 8 seit diesen beiden letzten Wochen beunruhigten. So etwas hatte es vor der Reise von Herrn Gruydenbeck und der gnädigen Frau nicht gegeben, und die gesamte Atmosphäre des Hauses hatte sich eigentlich auch erst von dem Dienstag an so unerklärlich verändert, als die beiden Herrschaften ganz plötzlich schon zu Anfang des Monats und viel früher, als ursprünglich von ihnen beabsichtigt, aus dem Engadin nach Hamburg zurückgekehrt waren. Am Freitag der selben Woche war dann noch der mysteriöse Herr le Villiers erschienen, der nun ebenfalls im Hause wohnte, obwohl man niemals vorher auch nur ein Sterbenswort von ihm gehört hatte. Ja, dieser^ ungewöhnliche Gast hatte den ungewöhnlichen Dingen ohne Zweifel die Krone aufgesetzt! Jepsen wußte von Agnes, daß sich auch das übrige Personal über diesen seltsamen Baron le Villiers die Köpfe zerbrach, und wenn er selbst auch viel zu vornehm dachte, um sich außerdienstlich mit diesem übrigen Personal abzugeben, so hatte er doch zumindest Agnes gestanden, daß' auch er sich häufig mit Herrn le Villiers beschäftigte. Er selbst hatte den fremden Besucher schon das erste Mal der gnädigen Frau gemeldet und ihr die Karte mit dem Namen Gaston le Villiers überbracht, aber wenn er derartig verworfenen Bezeichnungen auch nur mit größtem Widerwillen Zutritt zu seinen Gedanken erlaubte, geschweige denn einem solchen Ausdruck seine Zunge lieh, so mußte er sich doch heimlich gestehen, daß er diesen Herrn le Villiers für einen Hochstapler hielt. Doch, Jepsen hielt den Baron Gaston..... " {Werbetext}